BAUSTELLENBERICHT

Musée cantonal des Beaux-Arts,
Lausanne

Im Prozess

  • Autorin: Anne Meuer
  • Fotos: Jesús Arenas, Franz Stangl, Röben Tonbaustoffe GmbH

Kunstvoll sind nicht nur Gestalt und Inhalt des gerade fertiggestellten Musée cantonal des Beaux-Arts in Lausanne auf dem Areal des zukünftigen Museumsquartiers Plateforme 10, auch seine Ausführung lässt sich ohne Weiteres so bezeichnen. Denn hinter der heute so einheitlich und klar wirkenden, hellen Klinkerfassade steckt eine aufwendige und kleinteilige Planung.

Seit das Architekturbüro Barozzi/Veiga aus Barcelona 2011 den Realisierungswettbewerb für den Bau des Kunstmuseums in Lausanne gewann, ist viel passiert auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände. Ästhetisch wie ausführungstechnisch waren die Anforderungen an das neue Prestigeprojekt der Stadt am Genfer See sehr hoch. Die Lage des Gebäudes direkt an den Gleisen brachte strenge Brandschutzregularien mit sich, die sich durch den Einsatz der Klinker gut einhalten ließen. Gleichzeitig gilt die Region im Kanton Waadt als erdbebengefährdet, was besonders auf die Realisierung der 84 Pilaster an der Nordseite des Gebäudes erheblichen Einfluss hatte. Auch ohne diese Herausforderung wären sie mit ihrer schlanken Ansicht von 24 Zentimetern, einer Tiefe von 1,49 Metern und einer Gesamthöhe von knapp 21 Metern nicht im klassischen Mauerwerksbau umsetzbar gewesen. Die Arbeit mit einzelnen Ziegel-Fertigteilelementen sowie eigens gefertigten Fassadenauflagern und -verankerungen ermöglichte trotz widriger Umstände eine Ausführung im Sinne des Entwurfs. Sämtliche Steine sowie die großformatigen Bauteile konnten mithilfe des Klinkerherstellers Röben entwickelt und produziert werden.

Das Großprojekt in Lausanne wurde von Unternehmen aus vielen unterschiedlichen Ländern realisiert – der Wille zur guten Zusammenarbeit machte es möglich.
Mit viel Fingerspitzengefühl mussten die einzelnen Pilasterelemente in die Zwischenräume des Gerüstes eingeführt werden.

Zwischen der ersten Projektanfrage 2014 und der letzten großen Bemusterung der Steine Ende 2016 reiste Pieter Janssens, Projektleiter bei Barozzi/Veiga, viele Male von Barcelona in den Norden Deutschlands, wo sich der Unternehmenssitz sowie die beiden Produktionsstätten von Röben befinden. Um die Vorstellung der Architekten „in Richtung Grau“ genauer zu definieren, wurden immer wieder neue Brände hergestellt. Dabei wurden Oberflächenstruktur und Farbmischung weiter verfeinert, bis das Ergebnis ausfiel wie gewünscht.

Sämtliche Steine sowie die groß-formatigen Bauteile konnten mit- hilfe des Klinkerherstellers Röben entwickelt und produziert werden.

Imposant zeigten sich die neuen Museumsräume bereits im Rohbau.

Es war ein Prozess intensiver Zusammenarbeit aller an der Gebäudehülle Beteiligten, bis im März 2017 ein originalgetreues Mock-up fertiggestellt werden konnte. Anhand des Anschauungsmodells mit einer Größe von 5,47 x 4,75 x 4,50 Metern fielen letzte Entscheidungen der Architekten und Bauherren: Fenster-, Fugen- und Betonfarbe, Fensteranschlüsse und weitere Details konnten in Verbindung mit ihren konstruktiven Anschlusspunkten gezeigt und „direkt am Objekt“ besprochen werden. Ab diesem Zeitpunkt begann die Detailplanung der Fertigteilelemente sowie die Produktion der Steine, die dem Museumsbau sein heutiges Gesicht geben.

Anhand des aufwendig gefertigten Mock-ups trafen Architekten und Bauherren letzte Entscheidungen bezüglich der Ausführung.

Planung und Fertigung

Ein Kernpunkt, der den Architekten besonders am Herzen lag, war eine
möglichst homogene, fugenlose Fassadenansicht.

Die haushohen Pilaster des Musée cantonal des Beaux-Arts wurden aus je vier exakt konstruierten Ziegel-Fertigteilelementen hergestellt.

„Unsere Fertigteile stehen immer in Verbindung mit dem konventionellen Mauerwerk – wir wollen nicht den Plattenbau wiederaufleben lassen. Wir wollen da unterstützen, wo es mit den klassischen Möglichkeiten von Mauerwerk nicht mehr weitergeht, also vor allem im statischen Bereich“ – erläutert Horst Klockgether, Leiter des Planungsservice bei Röben und bereits seit 32 Jahren im Unternehmen. Ebendiese bauliche Verbindung findet sich auch beim Kunstmuseum in Lausanne, wo Ziegel-Fertigteilelemente den umlaufenden Mauerwerksverband ergänzen. Ein Kernpunkt, der den Architekten besonders am Herzen lag, war eine möglichst homogene, fugenlose Fassadenansicht. Hier stand vor allem das Fugenbild in den Anschlussbereichen zwischen Außenwandfläche und Pilaster-vorsprüngen im Vordergrund. In der Planung ließ sich dies über ein Einschieben der Pilaster lösen. Die Klinker auf den etwa ,50 Meter breiten Zwischenwandflächen bewegten sich damit außerhalb der üblichen Baurichtmaße eines Mauerwerks und mussten speziell eingepasst werden. Horizontale Dehnungsfugen zwischen den einzelnen Fertigteilelementen erübrigten sich durch den großen Druck, den die Teile aufeinander ausüben. Aus Gründen des Handlings und der Logistik entschied man sich für eine Vierteilung der 84 Pilaster. Geplant, produziert und über 1.400 Kilometer ausgeliefert wurden insgesamt 338 Fertigteilelemente mit Breiten zwischen 1,49 und 4,50 Metern und Höhen zwischen 2,00 und 6,70 Metern. Hinzu kamen 385 Stürze, Fensterbänke und Attikaabdeckungen. Während Letztere sich dem klassischen Sortiment der Ziegel-Fertigteile zuordnen lassen, handelt es sich bei den Pilasterelementen um Sonderplanungen in einer Vielzahl unterschiedlicher Varianten. Jedes Teil ist abhängig von den dahinter- oder darunterliegenden Fassadenöffnungen und deren ebenfalls variierenden Einbautiefen. Der Ausführungsplan, den Anke Honke, Projektleiterin bei Röben und seit 30 Jahren erfahren in der Planung und Herstellung von Ziegelfertigteilen, vorlegt, zeigt ein imposantes System aus Zahlen und Buchstaben: 338 Elemente in vier Ebenen, ergänzt um Typenbezeichnungen von A bis J, die anzeigen, welche Fassadenverankerungen im jeweiligen Einbaubereich zum Tragen kommen. Es folgen weitere Detaillierungsgrade für den Einbau von Leerrohren zur Elektroinstallation in unterschiedlichen Bereichen.

Horst Klockgether und Anke Honke

Seit etwa vierzig Jahren stellt Röben inzwischen Ziegelfertigteile her, doch auch wenn die Technik heutzutage einiges leichter macht, steckt weiterhin viel Handarbeit in deren Produktion. Neun Monate dauerte die Herstellung der Elemente für Lausanne. Die gesamten Klinker für das Projekt – 5.700 Quadratmeter in der Abwicklung der Pilaster und 5.807 Quadratmeter für das restliche Gebäude – wurden vorab in einem Durchgang produziert, um eine einheitliche Farbgebung sicherzustellen. Im Werk bereiteten die Facharbeiter die auf 25 Millimeter geschnittenen Klinkerriemchen auf großen Tischen der Planung entsprechend vor. Anhand von vorgegebenen Fixpunkten in der Höhe legten sie die Schichtzahl fest, ebenso wie beim klassischen Mauern nur in horizontaler Ausrichtung. Regelmäßige Abstände zwischen den Steinen stellten sie durch das Einlegen schmaler Holzleisten sicher. Da der Ziegel als Naturprodukt Maßtoleranzen mit sich bringt, variieren diese leicht im Millimeterbereich. Für die 24 Zentimeter breite Ansicht der Pilaster wurden die Klinker u-förmig ausgeschnitten und ebenfalls in die Form gestellt. Nach Einlegen von Bewehrung, Fassadenverbindungen und Transportankern sowie dem Ausgießen der Form mit Estrichbeton waren die eingelegten Riemchen von 10 Millimetern Beton fest umschlossen. Eigens für diese Arbeiten beauftragte Fliesenleger beklebten die Oberseiten der Elemente nach ausreichender Trocknungszeit mit weiteren Riemchen, um eine einheitliche dreiseitige Ansicht der Pilaster zu erzeugen. Erst dann wurden die Fertigteile mit einem Gewicht von insgesamt 1.525 Tonnen aus dem Werk bewegt.

Auf großen Tischen wurden die Riemchen in der Werkshalle für das Ausgießen mit Beton vorbereitet.
338 Fertigteilelemente wurden für die Pilaster geplant, produziert und über 1.400 Kilometer ausgeliefert.

„Bei uns bezieht sich ‚Planung‘ auf die Konstruktion der Fassadenfertigteile. Gleichzeitig beschäftigen wir uns mit der Abstimmung von Freigaben, Werkskontrollen und Prüfungen, richtiger Lagerung, der Reihenfolge der Lieferung, den Zöllen und allem, was dazugehört. Gerade bei so einem großen Projekt ist eine gute Logistik unabdingbar.“

Anke Honke, Projektleiterin bei Röben

„Bei uns bezieht sich ‚Planung‘ auf die Konstruktion der Fassadenfertigteile. Gleichzeitig beschäftigen wir uns mit der Abstimmung von Freigaben, Werkskontrollen und Prüfungen, richtiger Lagerung, der Reihenfolge der Lieferung, den Zöllen und allem, was dazugehört. Gerade bei so einem großen Projekt ist eine gute Logistik unabdingbar“, so Honke, auf deren Schreibtisch alle Fäden zusammenliefen. Etwa 100 Lastwagen brachten die Fertigteilelemente für die Baustelle vorsortiert und gut geschützt nach Lausanne. Dort lag die Kunst der ausführenden Firmen im exakten Einbau der Fertigteile. Die Elemente wurden in die stehende Rüstung von 22 Metern Höhe eingefädelt und bis nach unten an den ihnen zugedachten Platz bewegt. Die Baustellen-fotos zeigen, wie die Arbeiter die enormen Bauteile vorsichtig führen, es scheint wie ein virtuoser Tanz zwischen den Kräften. Virtuos zeigte man sich auch bei der Überwindung sprachlicher Barrieren: Die Kommunikation auf Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch – das Musée cantonal des Beaux-Arts ist im wahrsten Sinne ein Gemeinschaftsprojekt.

Über massive Fassadenanker werden die Fertigteilelemente am Bauwerk gehalten.
Jeder der 84 schlanken Pilaster zeugt von absoluter Präzisionsarbeit auf der Baustelle.

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